Erklärung nordbadischer Abgeordneter der Grünen Landtagsfraktion sowie der Grünen der Region Nordbaden zur Neu-/Ausbaustrecke Mannheim-Karlsruhe an die Deutsche Bahn AG

Um die dramatischen Folgen der Klimakatastrophe einzudämmen und das in Paris beschlossene 1,5 °C-Limit einhalten zu können, muss auch im Verkehrssektor der CO2-Ausstoss radikal reduziert werden. „Mehr Güter auf die Schiene“ ist dabei ein elementarer Baustein, um diese Ziele erreichen zu können! Unzweifelhaft gehört der Neu- bzw. Ausbau der Güterstrecke zwischen Rotterdam und Genua daher mit zu den wichtigsten europäischen Verkehrsprojekten und sollte aus klima- und verkehrspolitischer Sicht prioritär vorangetrieben werden. Wir Grünen der Region Nordbaden stehen hinter den damit verbundenen Zielen.


Derzeit plant die Deutsche Bahn AG den Ausbau des wichtigen Abschnitts zwischen Mannheim und Karlsruhe. Die Bedeutung dieses Projektes wird von uns ebenfalls erkannt, befürwortet und unterstützt. Die transparente Dokumentation der einzelnen Planungsschritte auf der Webseite https://www.mannheim-karlsruhe.de begrüßen wir – ebenso die frühe und intensive Einbindung der Öffentlichkeit in den Planungsprozess (d.h. der ggf. betroffenen Kreise, Gemeinden und Institutionen wie bspw. Naturschutz-organisationen und Bürgerinitiativen). Wir ermutigen daher alle betroffenen Bürger:innen und Entscheidungsträger:innen das niederschwellige Angebot der Deutschen Bahn AG anzunehmen und sich aktiv einzubringen.


Wir sind uns der Bedeutung der Neu-/Ausbaustrecke Mannheim-Karlsruhe absolut bewusst, sehen aber auch, dass dieses Projekt einen großen Eingriff in die Landschaft und Lebenswelt der angrenzenden Stadt- und Landkreise darstellt. Hier muss der Spagat gelingen zwischen der Realisierung dieses wegweisenden Jahrhundertprojekts und dem bestmöglichen Schutz von Mensch und Natur an der neuen Trasse! Daher fordern wir:

  • Unsere im Oberrheingraben liegende Region ist bereits heute schon durch Bahn- und Autobahnlärm schwer belastet. Unvermeidliche Lärmbelastungen durch zusätzliche Gleise müssen daher mit allen geeigneten technischen Lärmschutzmaßnahmen reduziert werden. Übergesetzliche Lärmschutzmaßnahmen sind grundsätzlich zu prüfen, auch an Bestandstrecken in der Region, und – wo immer möglich – auch einzusetzen. Darüber hinaus sind neben den technischen Maßnahmen auch dauerhafte, verbindliche Regelungen für den Betrieb festzulegen.
  • Auch im zukünftigen Betrieb der neuen Trasse müssen lärmmindernde Unterhaltungsmaßnahmen an Schienen und am rollenden Material regelmäßig und nach neustem Stand der Technik durchgeführt werden, um Menschen und Natur dauerhaft maximal möglich vor Lärm zu schützen.
  • Die Möglichkeit einer Bündelung der Neubaustrecke mit bereits vorhandenen Verkehrsachsen muss berücksichtigt werden. Durch eine Bündelung der Infrastrukturen (Schiene, Autobahn) kann eine Zerschneidung größerer zusammenhängender bislang unversiegelter Flächen oder landwirtschaftlicher Nutzflächen sowie von Siedlungsstrukturen vermindert und minimiert werden.
  • Bei dichter Besiedelung und anderen hohen Raumwiderständen fordern wir für Tunnellösungen oder Einhausungen dezidierte Machbarkeitsstudien, da diese Maßnahmen die Lärmbelastung für die menschliche Gesundheit sowie die Zerschneidungswirkung für die Umwelt deutlich reduzieren können.
  • Die Zugehörigkeiten einzelner Siedlungen und Ortsteile zueinander müssen bei der Trassenfindung mitberücksichtigt werden, um eine soziographische Zerschneidung von über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte gewachsenen sozialen Verbindungen zwischen Siedlungsgebieten zu vermeiden.
  • An und auf der Strecke müssen die Interessen anderer Mobilitätsnutzer sowie anderer Angebots- und Mobilitätsformen mitberücksichtigt werden – wie beispielsweise der ÖPNV, querende Straßen, Rad- und Fußwege oder auch die Bedienungsqualität der Güterumschlagpunkte, wie beispielsweise die Anbindung des Rangierbahnhofs Mannheim.
  • Die Chance, durch die neue Trasse eine Entlastungswirkung auf den Bestandsstrecken vor allem in dicht besiedelte Gebieten zu erzielen und so die bestehende Belastung der betroffenen Anwohner:innen zu reduzieren, muss geprüft und – wo sinnvoll möglich – auch genutzt werden.
  • Vorliegende Metropolkonzepte für die Verkehrsinfrastruktur (wie beispielsweise der Karlsruher Binnenhafen) müssen projektübergreifend sowie verkehrsträgerübergreifend in die Trassenplanung mit einbezogen werden.
  • Kapazitätsberechnungen müssen stets nicht nur auf Grundlage aktueller Prognosen erfolgen, sondern auch auf Grundlage politisch vereinbarter Ziele. Prognosen, die bereits im Jahre 2016 erstellt wurden, reichen hierfür nicht aus.
  • Anpassungsmaßnahmen an die bevorstehenden klimatischen Veränderungen (wie Hitze, Dürre oder andere extreme Wetterereignisse) müssen auf bzw. entlang der neuen Trasse bereits heute mitgedacht und eingeplant werden (z.B. begrünte Lärmschutzwände). Weiterhin sollte stets geprüft werden, ob die durch die neue Trasse versiegelten Flächen zur Gewinnung erneuerbarer Energien genutzt werden können (Stichwort PV am Gleis).
  • Da die Verlagerung der Güter auf die Schienen nicht nur CO2-Emissionen einspart, sondern durch den Trassenbau auch je nach Beschaffenheit der Strecke (z.B. Tunnel, Brücken, Einhausungen) unterschiedliche Mengen Treibhausgase freigesetzt werden, sollte sowohl eine CO2-Bilanzierung als auch eine CO2-Bepreisung in die Planungsabwägungen miteinbezogen werden.

Hermino Katzenstein, MdL

Dr. Susanne Aschhoff, MdL

Theresia Bauer, MdL

Dr. Ute Leidig, MdL

Norbert Knopf, MdL

Alexander Salomon, MdL

Andrea Schwarz, MdL

Elke Zimmer, MdL


Nordbaden, 16.06.23